17 Viktoria-Kino, Lokstedter Weg 41

»Es war ein niedliches kleines Kino. Und niedrig. Es roch nach Kindern, Aufregung und Bonbons. Es roch im ganzen Kino nach Rahmbonbons, weil man vorne neben der Kasse welche kaufen konnte. Für zehn Pfennig fünf Stück. Deswegen roch es nach Rahmbombon an allen Enden. Aber sonst war es ein niedliches Kino. Und niedrig. Es gingen kaum zweihundert Menschen hinein. Es war ein richtiges kleines Vorstadtkino. Eines von denen, die man gutmütig Flohkiste nennt. Ohne Gehässigkeit. Unser Kino hieß Viktoria-Lichtspiele. Sonntags nachmittags gab es Kindervorstellungen. Für halbe Preise. Aber die Rahmbonbon waren beinahe noch wichtiger. Sie gehörten dazu, zum Sonntag, zum Kino. Fünf Stück einen Groschen. So rentierte sich das auch für den Besitzer.«

(aus: Der Stiftzahn oder Warum mein Vetter keine Rahmbonbons mehr ißt. In der Kurzgeschichte verarbeitete Borchert einen Kinobesuch mit seinem gleichaltrigen Cousin Karl-Heinz Corswardt. Die beiden Heranwachsenden waren des Öfteren im Viktoria-Kino im Lokstedter Weg zu Gast, das nur wenige Gehminuten von ihren Wohnungen entfernt war.)