12 Hamburg – »Mehr als ein Haufen Steine«

Wolfgang Borchert ist ein Säulenheiliger seiner Heimatstadt. Er gilt als der Hamburg-Dichter. Sein oft zitierter Satz »Hamburg! Das ist mehr als ein Haufen Steine« ist ein Slogan der Hansestadt geworden.

Ein begeisterter Hamburger war Borchert allerdings nur wenige Jahre seines kurzen Lebens. Nach einer militärischen Ausbildung, Fronteinsätzen und Gefängnisaufenthalten fernab der Stadt, in der er aufgewachsen war, schrieb er im September 1944 an Aline Bussmann: »Ich habe vor allem entdeckt, daß ich zum leidenschaftlichen Hamburger geworden bin.« Wenige Wochen später nannte sich Borchert in einem Brief an Bussmanns Tochter Ruth Hager sogar einen »fanatischen Hamburger«. Er scheute sich nicht, seinen Heimatbezug in eine Sprache zu packen, deren Anklänge an die Sprache des Nationalsozialismus unübersehbar sind: »Und wenn ich das Glück habe, zu den Überlebenden dieses Riesenkrieges zu gehören, dann sollen mich auch die schönsten Gletscher oder Weinberge nicht mehr darüber täuschen, daß unser nebeliges und verregnetes Hamburg über allem steht!«

Brief an Ruth Hager, 20.10.44, gelesen von Johannes Kirchberg

»Das geben wir zu, ohne uns zu schämen: Daß uns die Seewinde und die Stromnebel betört und behext haben, zu bleiben – hierzubleiben, hier zu bleiben! Daß uns der Alsterteich verführt hat, unsere Häuser reich und ringsherum zu bauen – und daß uns der Strom, der breite graue Strom verführt hat, unserer Sehnsucht nach den Meeren nachzusegeln, wegzuwandern, fortzuwehen – zu segeln, um wiederzukehren, wiederzukehren, krank und klein vor Heimweh nach unserm kleinen blauen Teich inmitten der grünhelmigen Türme und grauroten Dächer.«

(aus: Hamburg)